HIV/HCV und Psyche

Jürgen Möller-Nehring 2019

Eine HIV-Infektion bedeutet für jeden Menschen eine völlig veränderte Lebensperspektive und erfordert grundlegende Veränderungen in der Lebensführung. Dadurch bedingter Stress, Anpassungsschwierigkeiten und psychische Störungen sind häufig (besonders Depressionen, Ängste, posttraumatische Stresssymptome und in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien auch kognitive Einschränkungen).

Ebenso haben die zur Behandlung von HIV und HCV eingesetzten Medikamente Nebenwirkungen die auch die Psyche betreffen.

Bei HIV- und HCV Infizierten treten seelische Erkrankungen weitaus häufiger auf, als in der normalen Bevölkerung.

Seelische Erkrankungen, wie z.B. die Depression, kommen im Kontext einer HIV- oder Hepatitis-Infektion gehäuft vor (1) (2). Eine HIV- oder Hepatitis-Infektion bringt zahlreiche körperliche und soziale Stressfaktoren mit sich, die den Ausbruch einer seelischen Erkrankung  begünstigen können. Viele Studien zeigten, dass der Erfolg einer antiretroviralen Behandlung bei HIV und Hepatitis eng mit der seelischen Verfassung der Betroffenen verbunden ist (3). So profitieren depressive HIV-Positive weit weniger von einer antiretroviralen Therapie, wenn nicht gleichzeitig die psychischen Störungen behandelt werden. Für Hepatitis-C-Positive ist es wichtig, zu wissen, dass die Behandlung ihrer Hepatitis-Infektion in der Vergangenheit bisweilen mit der häufigen Nebenwirkung „Depression“ erkauft wird. Das zur Hepatitis Behandlung oft eingesetze Interferon löst regelmäßig Depressionen aus.

 

 

HIV, Hepatitis und Psyche sind also aufs Engste miteinander verknüpft. Betroffene, Behandler und  Angehörige müssen wissen, dass eine unbehandelte seelische Erkrankung genauso tödlich enden kann wie eine unbehandelte HIV- oder HCV-Infektion. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe in der Behandlung bzw. Beratung, Menschen darin zu unterstützen, sich die Hilfe zu holen, die sie brauchen. Denn die meisten Symptome seelischer Erkrankungen sind für die Betroffenen sehr unangenehm, aber in vielen Fällen auch für die Angehörigen nicht ohne fachkundige Hilfe als Ausdruck einer seelischen Erkrankung zu erkennen.

 

Aus den oben genannten Gründen braucht es in den Ambulanzen und Schwerpunktpraxen, aber auch in den Beratungstellen, ein fachlich kompetente Mitarbeiter, die auch seelische Diagnosen stellen und den Weg in eine spezialisierte Versorgung bahnen können. Es gibt heute hochwirksame  psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungsansätze, die seelisches Leiden verringern helfen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass zunächst die Betroffenen sensibilisiert werden und alle Mitarbeitenden eines Versorgungssystems Anzeichen für entsprechende Krankheitsbilder erkennen und ihre Klient*innen an fachlich spezialisierte Dienste weiterverweisen können.

Quellen:

(1) Psychische Störung oft unerkannt, Ärztezeitung 2014

(2) Prevalence of Depression in People Living with HIV/AIDS, NCBI 10/2014

(3) HIV AIDS and Depression