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Stellungnahme der Deutschen Ärztekammer zum GVAS

Auszug: Gemeinsame Stellungnahme der Bundesärztekammer und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft vom 14. Dez. 2018

...S 8ff. "Zu Nummer 11 Buchstabe a: § 47 Abs. 1 Satz 1 Vertriebsweg

 

A) Beabsichtigte Neuregelung:

 

§ 47 Absatz 1 Satz 1 AMG soll dahingehend geändert werden, dass pharmazeutische Unternehmer und Großhändler gentechnisch hergestellte Blutbestandteile zur Behandlung von Hämostasestörungen, z. B. rekombinanter Faktor VIII, zukünftig nicht mehr an hämostaseologisch qualifizierte Ärzte zur Abgabe im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern abgeben dürfen.

Begründet wird diese Änderung mit unterschiedlich hohen Infektionsrisiken der verschiedenen Präparate.

 

B) Stellungnahme der Bundesärztekammer und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft:

 

Die BÄK und die AkdÄ lehnen diese Änderung ab. Die vorgesehene Differenzierung der Vertriebswege ist nicht sachgerecht, da nicht das potenzielle Infektionsrisiko, sondern die bestmögliche Versorgung der betroffenen Patienten entscheidend ist.

Aus Sicht der BÄK und der AkdÄ ist zu befürchten, dass sich die bisherige Behandlung und Versorgung, inklusive der Notfall-Behandlung, durch die vorgesehene ausschließliche Abgabe der Arzneimittel durch Apotheken für die betroffenen Patienten nicht nur deutlich aufwendiger gestaltet, sondern auch mit einem Verlust der Behandlungsangebote und ggf. Behandlungsqualität einhergeht.

 

Im Rahmen der ambulanten Behandlung von Patienten mit Gerinnungsstörungen, z. B. Hämophilie-Erkrankter, und der Verordnung von Gerinnungspräparaten oder Faktorenkonzentraten, die derzeit nach § 47 Abs. 1 Nr. 2a AMG vom Vertriebsweg der Apotheke ausgenommen sind, gewährleisten insbesondere die Hämophiliereferenz- und Behandlungszentren eine Versorgung der Patienten an 24 Stunden pro Tag während sieben Tagen in der Woche einschließlich der Behandlung mit Gerinnungsfaktorkonzentraten. Des Weiteren sichern sie u. a. das Akutmanagement, das Vorhalten eines ausreichenden Medikamentenvorrates für Notfälle, die Lagerung der Präparate unter Einhaltung der Kühlkette sowie die belegbare Erfassung von Eingang und Abgabe der Präparate einschließlich Chargendokumentation.

 

Die geplante Aufspaltung der Vertriebswege für Blutprodukte über Hämophiliezentren einerseits und rekombinante Präparate für dieselbe Indikation über Apotheken andererseits würde die Versorgung der Hämophilie-Erkrankten, insbesondere auch die Notfallversorgung, gefährden, da rekombinante Präparate nicht mehr in den o. g. Zentren vorrätig und verfügbar wären.

 

Gegebenenfalls ist sogar eine Reduktion der gegenwärtigen Behandlungsqualität zu befürchten, wenn beispielsweise Hämophilie-Erkrankte nicht mehr umfassend und differenziert durch hämostaseologisch qualifizierte Ärzte behandelt werden: Die beabsichtigte Änderung des Vertriebsweges für gentechnisch hergestellte Blutbestandteile zur Behandlung von Hämostasestörungen würde dazu führen, dass dieser Teil der von den Patienten benötigten Medikamente nicht mehr unter den Vorbehalt zur Abgabe durch hämostaseologisch qualifizierte Ärzte fallen würde. Gleichzeitig ist jedoch nicht erkennbar, wie zukünftig sichergestellt werden soll, dass nur hämostaseologisch qualifizierte Ärzte Medikamente zur Behandlung der Hämophilie-Erkrankten verschreiben.

 

Eine differenzierte Therapie in Hämophiliezentren durch hämostaseologisch qualifizierte Ärzte mit unterschiedlichen Präparaten empfehlen beispielsweise die Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten der Bundesärztekammer* bzw. die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nach § 91 SGB V über die ambulante Behandlung im Krankenhaus, Anlage 2, Nr. 2– Diagnostik und Versorgung von Patienten mit Gerinnungsstörungen (Hämophilie) .

 

Auch ist die Begründung für die beabsichtigte Gesetzesänderung, in der auf ein Infektionsrisiko bei aus menschlichem Blut gewonnenen Produkten eingegangen wird, sachlich nicht zutreffend:

"Grund ist, dass bei gentechnologisch hergestellten Blutbestandteilen kein Infektionsrisiko wie

bei aus menschlichem Blut gewonnenen Produkten besteht. Insofern bestehen bei aus menschlichem Blut gewonnenen Produkten besondere Sorgfalts- und Dokumentationspflichten Spender-bezogener Risiken. Diese Unterschiede rechtfertigen eine Differenzierung beim Vertriebsweg und der Abgabe.“

 

Hier wird auf ein Infektionsrisiko bei aus menschlichem Blut gewonnenen Produkten abgehoben, das für industriell hergestellte Gerinnungsfaktorkonzentrate aus Plasma heute nicht mehr besteht. Auch sind z. B. die Risiken der Behandlung der Hämophilie A mit dem monoklonalen Antikörper Emicizumab (Hemlibra®), z. B. thromboembolische Komplikationen, aus medizinischer Sicht vielfach höher zu werten als das postulierte Infektionsrisiko. Insofern sind bei der Verordnung von gentechnisch hergestellten Produkten (insbesondere Emicizumab) zur Behandlung von angeborenen Hämostasestörungen mindestens die gleichen Sorgfalts- und Dokumentationspflichten zu beachten

wie bei der Verordnung von aus menschlichem Blut gewonnenen Produkten. Die Notwendigkeit für eine Differenzierung der Vertriebswege erschließt sich auch aus diesem Grund nicht.

 

 

C) Änderungsvorschlag der Bundesärztekammer und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft:

 

Die BÄK und die AkdÄ fordern die Beibehaltung der geltenden Regelung.

 

 

*http://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/medizin-ethik/wissenschaftlicher-beirat/veroeffentlichungen/haemotherapie-transfusionsmedizin/querschnitt-leitlinie/ S.58 ff "...

 

 Link zur vollständigen Veröffentlichung

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Doris Willmer (Donnerstag, 03 Januar 2019 19:04)

    Leider muss man dieser Bundesregierung schlechtes Handwerk in Gesetzgebungsverfahren bescheinigen. Anstatt Gesetzesinitiativen vorher mit den Stakeholdern abzustimmen und die Erfahrungen und das Fachwissen von Betroffenen und den wesentlichen Verbänden einzuholen, wird auf intransparenter Basis etwas zusammengeschrieben und den staunenden BügerInnen und Organisationen als fertiger Gesetzentwurf präsentiert, in der Gesundheitspolitik ebenso wie in der Energiepolitik. Ist das der neue Stil der Regierung? Durchdrücken statt konstruktiver Debatten?