Was wir erreichen wollen


Als Zusammenschluss von Betroffenen des Blutskandals sehen wir die im Juni 2017 erfolgten letzten Novelle des HIV-Hilfegesetzes positiv.

Mit bitterem Bedauern haben wir allerdings zur Kenntnis genommen, dass weiterführende Schritte um die Situation der Opfer und deren Hinterbliebenen, neben der finanziellen Situation, weiter zu verbessern und abzusichern erneut unterblieben sind. Daher fordern wir...

 

1. Eine rasche Anpassung des HIVHG

 

Wir brauchen sehr schnell eine Novelle des HIVHG´s die sich endlich vom Soforthilfegedanken verabschiedet. Sie muss eine umfassende Absicherung beinhalten die sowohl finanzielle, medizinische und soziale Aspekte enthält, die der heutigen Lebenssituation gerecht wird und eine soziale Teilhabe sicherstellt.

Dazu gehört:

 

2. Eine Entschädigungsregelung für Hepatitis-Opfer

 

Der VOB e. V. setzt sich ebenfalls für eine längst überfällige Entschädigung der durch Blutprodukte HCV-infizierten Betroffenen des Blutskandals ein. Die HCV-Infektionen und ihre Folgeerkrankungen sind inzwischen die Haupttodesursache bei den betroffenen Hämophilen. Ca. 1.500 Menschen haben wegen der HCV-Infektion bereits vorzeitig ihr Leben verloren. Wir sehen hier dringenden Handlungsbedarf, die HCV- Infizierten endlich zu entschädigen, denn die Infektionswege und ihre Ursachen sind identisch mit denen der HIV-Infektionen. Viele Länder in Europa haben bereits Entschädigungsregelungen etabliert. (Beispiel England)

 

Ab Ende der 1970er Jahre stand ein zugelassenes Viren-Inaktivierungsverfahren zur Verfügung. Bei einer konsequenten und frühen Anwendung dieses Verfahrens würden die meisten Opfer heute noch leben und die meisten wären gar nicht infiziert worden.

 

Die Parallelen zum HIV-Blutskandal sind deshalb nicht von der Hand zu weisen, ebenso wenig wie die Verantwortung der Politik und der Pharmakonzerne für Medikamente, von denen frühzeitig bekannt war, dass eine Gefährdung der Patienten nicht auszuschließen war.

 

Eine HCV-Entschädigung, wie sie in anderen Ländern bereits getroffen wurde, ist längst überfällig. Dort wurden/werden den Geschädigten nach unterschiedlichen Modi bereits Einmalzahlungen und Renten gezahlt.

 

3. Den Ausgleich des inflationsbedingten Kaufkraftverlustes der Entschädigungszahlungen seit Beginn der Zahlungen 1995

 

Mit der Dynamisierung seit 2019 bekennt sich die Regierung zu der Notwendigkeit der regelmäßigen Anpassung der Entschädigungszahlungen. Jedoch wurde der Zeitraum von 1995 bis 2019 bei der Novellierung 2017 ausgeklammert. Das kritisieren wir scharf, da diese Regelung unangemessen und entwürdigend ist. Es muss dringend zu einer Anhebung der heutigen Zahlungen kommen, um den Kaufkraftverlust für diesen Zeitraum von mehr als 40 % auszugleichen. Wir fordern eine rückwirkende Dynamisierung mit Anhebung der Zahlungen. Der durch politisches Versäumnis nicht zur Auszahlung gekommene Betrag sollte als Einmalzahlung erfolgen (siehe auch Gutachten von Dr. Oliver Tolmein vom 29.05.2017).

 

Um uns auch in Zukunft ein würdiges Leben zu ermöglichen, müssen zudem die steigenden Bedarfe aufgrund der sich verschlechternden gesundheitlichen Situation der Betroffenen berücksichtigt werden. Neben den üblichen Lebenshaltungskosten, wie Miete, Nahrungsmittel, Kleidung usw. entstehen gesundheitsbedingt Mehrkosten. Hierzu zählen zuzahlungspflichtige Medikamente, notwendige Hilfsmittel, stabilisierende wie auch vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen, hochwertige Nahrungsmittel, psychotherapeutische Begleitung usw. Deshalb müssen die dem Gesetz zugrundeliegenden Beträge den Bedürfnissen der Betroffenen zeitgemäß angepasst werden und auch die zur Zeit hohe Inflationsrate ausgleichen.

 

4. Aufhebung der Unterscheidung von AIDS-Krank und HIV-Positiv im HIVHG

 

Um den HIV-Infizierten gerecht zu werden, muss diese Trennung endlich aufgehoben werden. Wer mit HIV von den Opfern des Blutskandals heute noch lebt ist ein sog. "Früh-Infizierter". Das heißt, dass der Körper lange ohne eine effiziente Therapie den Schädigungen des HI-Virus ausgesetzt war. Zusätzlich haben sich alle einer experimentellen Therapie mit zum Teil heftigen Nebenwirkungen unterzogen. Hierdurch ist es bei vielen zu Organschäden mit Sekundärerkrankungen gekommen.

 

5. Verbesserung der Leistungen für Angehörige und Hinterbliebene

 

Angehörige und Familien haben die größte Last zu tragen. Das gilt auch für die Hinterbliebenen bereits verstorbener Geschädigter. Deshalb fordern wir analog dem britischen Konzept lebenslange Renten für Hinterbliebene und eine unterstützende Absicherung der Kinder von Betroffenen.

 

6. HIV-Betroffene als Vertreter im Stiftungsrat und im Stiftungsvorstand

 

Das Stiftungsgesetz wurde 1995 vom Bundestag beschlossen, die Stiftung im gleichen Jahr ins Leben gerufen. Der Stiftungsrat setzt sich seit der Novellierung des HIVHG im Juni 2017 aus max. sieben, der Stiftungsvorstand aus drei Mitgliedern zusammen. Bis heute war kein Leistungsempfänger Mitglied im Stiftungsrat oder -Vorstand, um die Belange der Geschädigten zu vertreten.

 

Ab 2019 hat der Bund die alleinige finanzielle Verantwortung für die Stiftung und das Stiftungskapital. Damit hat sich der Stiftungsrat um die Mitglieder der Ländervertreter reduziert. Die Vertreter der Pharmaindustrie verbleiben im Stiftungsrat, obwohl sie keine Zahlungen an die Opfer mehr leisten. Deren Verbleiben entbehrt jeglicher rechtlichen oder sonstigen Grundlage und wir wissen nicht, ob die Vertreter der Industrie Zugang zu personenbezogenen Daten der Leistungsempfänger haben.

 

Der Anteil der Bluter unter den Leistungsempfängern liegt nur bei ungefähr 65%. Etwa 35 % der Infizierten sind keine Bluter und wurden durch verunreinigte Blutkonserven infiziert oder sind z.B. als Angehörige sekundärinfiziert (Zahlen der DHG von 2017). Deshalb können die Hämophilieverbände allein die Belange der Leistungsempfänger innerhalb des Stiftungsrates nur eingeschränkt und indirekt vertreten. Laut den Satzungen der in Deutschland aktiven überörtlichen Hämophilieverbände ist der VOB e.V. der einzige Verband, der alle Leistungsempfänger vertritt.

 

Wir fordern die Aufnahme von Leistungsempfängern in Stiftungsrat und Stiftungsvorstand. Wir beanspruchen das Recht, unsere Belange innerhalb der Stiftung selbst zu vertreten (zur Begründung siehe:  UN-Behindertenkonvention, Zusammensetzung des Stiftungsrates der Conterganstiftung und Gutachten von Dr. Oliver Tolmein vom 29.05.2017, GIPA-Statement). 

 

Der Verband VOB e. V. wurde 2017 gegründet, um die unverschuldet mit HIV und HCV Infizierten zu vertreten. Wir als Betroffenenvertretung fordern, dass wir uns und unsere Anliegen zukünftig im Stiftungsrat und im Stiftungsvorstand selbst vertreten und die Arbeit des Stiftung kontrollieren können. Dies muss in der nächsten Änderung der HIV-Hilfegesetzes seine Berücksichtigung finden.

 

In der UN- Behindertenkonvention "Nicht ohne uns über uns", die 2008 in Kraft getreten ist, ist definiert, dass wir als Betroffene einen Anspruch auf ein Mitspracherecht bei Entscheidungen für uns oder über uns haben. Dieses wurde 25. März 2014 nochmals von der Bundesregierung in dem Artikel "Menschen mit Behinderung" bestätigt: …Sämtliche gesellschaftlichen Bereiche müssen auf die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zugeschnitten sein oder dafür geöffnet werden. Vor allem müssen die Betroffenen dabei sein, wenn es um sie geht. Deshalb lautet der Grundsatz der UN-Konvention: "Nicht ohne uns über uns". Weiter verweisen wir in diesem Zusammenhang auf das GIPA-Prinzip welches bereits am 1. Dezember 1994 auf dem ‘Paris Aids Summit’ beschlossen und von Vertretern der damaligen Bundesregierung unterzeichnet wurde.

 

7. Die Einrichtung eines Kompetenzzentrums im Rahmen des HIV-Hilfegesetzes

 

Wir fordern die Einrichtung eines Kompetenzzentrums analog zu den Kompetenzzentren der Conterganstiftung. Es soll eine Anlaufstelle für die Opfer geschaffen werden, die sich um medizinische und soziale Belange kümmert. Sie sollte bei Vermittlung von Ärzten und Kliniken sowie in sozialen Fragen im Rahmen einer Lotsenstruktur beraten können. Darüber hinaus sollen regelmäßige und zusätzliche Bedarfe bei der Entschädigung und Absicherung der Betroffenen ermittelt werden. Dieses Kompetenzzentrum soll eng mit der Stiftung aber auch mit dem BMG zusammenarbeiten. Ebenso gilt es, die Betroffenen bei Planung und Durchführung zu beteiligen.

 

8. Die Aufhebung der Stichtagsregelung 1. Januar 1988 im HIVHG

 

Der Verband VOB e. V. fordert von der Stiftung wie von den gesetzlichen Organen, allen Betroffenen eine Entschädigung zu zahlen, die nachweislich bis zum Inkrafttreten der Stiftung 1995 durch verunreinigte Blutpräparate mit dem HI-Virus infiziert wurden. Das in dem Paragraphen § 15 des HIV-Hilfegesetzes gesetzte Datum muss gestrichen werden. Hierdurch werden die nach diesem Datum infizierten Betroffenen infolge der Blutkonserven und Produkte der Firma Biotest in die Entschädigungsleistungen mit einbezogen.

 

9.  Die Möglichkeit der Kontaktaufnahme des VOB e.V. mit allen Betroffenen

 

Um den Betroffenen des Blutskandals die Gelegenheit zu geben, sich über unsere Angebote und Initiativen im Rahmen der Selbsthilfe zu informieren, möchten wir - als Verband VOB e.V. - zu allen Menschen Kontakt aufnehmen können, die Leistungen der Stiftung beziehen. Damit der Datenschutz gewährleistet bleibt, sollte die Kontaktaufnahme über die Stiftungsverwaltung der KfW in Berlin erfolgen. Auf diese Weise bleibt es jedem angesprochenen Betroffenen selbst überlassen, ob er direkten Kontakt zu uns als Interessengemeinschaft aufbauen möchte oder ob er weiterhin nur über die Stiftungsverwaltung informiert werden will. 

 

 

Wir fordern die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag dazu auf, das HIV-Hilfegesetz gemäß den gegenwärtigen wie zukünftigen Erfordernissen der Betroffenen anzupassen. Es muss zeitnah die Entschädigung für Hepatitis-C-Infizierte geregelt werden, da hier dieselbe Infektionsursache vorliegt.

Wir wurden im Vertrauen auf sichere Medikamente mit HIV und HCV infiziert. Nur ein kleiner Teil der Betroffenen hat bis heute schwer belastet überlebt.

 

Wir fordern eine der heutigen Situation der Geschädigten gerecht werdende Lösung, die eine finanzielle Absicherung sicherstellt und mit der die stark beeinträchtigte Lebenssituation auch umfassend leichter zu bewältigen ist. Die Opfer und die Angehörigen haben einen berechtigten Anspruch auf jede erdenkliche Hilfe, um ihre noch verbleibenden Lebensjahre befriedigend gestalten zu können. Der Ausflüchte der Politiker sind wir überdrüssig! Wir fordern nur das ein, was uns etliche Politiker in den letzten Jahren bereits mehrfach zugesagt haben.

 

Mitgliederversammlung 2024, letzte Änderung 09/2024

Text: Jürgen Möller-Nehring