Lübeck, 14.12.2018. Am 18.11.2018 wurde vom Gesundheitsminister ein Referentenentwurf für ein „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) veröffentlicht. Für Menschen mit einer Blutgerinnungsstörung in Deutschland bedeutet dieses Gesetz gravierende Veränderungen bezüglich der Medikamentenversorgung. Wir befürchten bei der Realisation dieser Gesetzesinitiative einen dramatischen Einbruch hinsichtlich der bisher sicheren und qualitativ bewährten medizinischen Versorgung der Hämophiliepatienten. Diese wäre in Folge des Gesetzes aus folgenden Gründen in Gefahr: Hier wird ohne Not eine sichere und qualitative sehr gute, bewährte medizinische Versorgung der Hämophiliepatienten mit einem Federstrich abgeschafft.
Den lebenswichtigen Gerinnungsfaktor, der Menschen mit einer Blutgerinnungsstörung fehlt, erhalten die Patienten bislang direkt in ihrem behandelnden Ärztezentrum. Diese Abgabe über die Behandlungszentren besteht seit den 1980 Jahren und gilt als etabliert und bewährt.
Diese Regelung soll durch das neue Gesetz (GSAV) aufgehoben werden. Sie untersagt die bisherige Abgabe von neuen, rekombinant (gentechnologisch) hergestellten Medikamenten durch die behandelnden Hämophiliezentren, welche eben jene Struktur für die Abgabe der Gerinnungspräparate über Jahre aufbauten, was unter anderem Bereitschaftsdienste in der Nacht und am Wochenende beinhaltet. Dies bedeutet eine Zusammenarbeit, die für die Behandlung der von der chronischen Erkrankung Betroffenen von unschätzbarem Wert ist.
Die Notfall- und Akutbehandlung ist mit dem neuen Gesetz gefährdet. Lokale Apotheken, die ab jetzt die Medikamentenversorgung sichern sollen, können für den Notfall keine Medikamentenlager vorhalten. Ebenso wenig die Behandlungszentren, da sie die Medikamente nicht mehr regulär abgeben dürfen. Unvorhergesehene Operationen und die Versorgung nach Unfällen würden dann für alle Betroffenen zu einem schwierigen und möglicherweise lebensbedrohlichen Problem.
Die Medikamentenversorgung durch die Apotheken kann in der bisherigen Qualität nicht sichergestellt werden. Das finanzielle Risiko würde kleine Apotheken überfordern. Die Lagerung, die in einem Kühlraum erfolgen muss, ist nicht in allen Apotheken möglich. Dies könnte dazu führen, dass Apotheker nur kleine Mengen pro Rezept abgeben. Auch kann eine Beratung durch den Apotheker durch erforderliches spezielles Fachwissen nicht geleistet werden. Bei der jetzigen Behandlungspraxis hat jeder Bluter aus Sicherheitsgründen ein größeres Depot seiner Medikamente zuhause. Dies ist auch für Reisen unabdingbar und wird mit dem neuen Gesetz erschwert bzw. unmöglich. Eine stark eingeschränkte Teilhabefähigkeit der Patienten kann daraus abgeleitet werden.
Weiter soll durch eine Anhebung der Rezeptgebühren die Zuzahlung für die Patienten drastisch erhöht werden. Diese Anhebung bedeutet für die Patienten eine erhebliche finanzielle und bürokratische Mehrbelastung.
Prophylaktische Behandlung mit der Medikamentenversorgung wie bisher über die Behandlungszentren wäre im GSAV zukünftig nur noch mit aus menschlichem Blutplasma hergestellten Präparaten möglich. Das bedeutet in Bezug auf die Behandlungsqualität einen immensen Rückschritt, der erneut mit einem Übertragungsrisiko von Infektionskrankheiten verbunden wäre.
Im Namen der an einer Hämophilie leidenden Patienten fordern wir den Gesundheitsminister und die Bundesregierung auf, das geplante Gesetz im Bereich der Hämophilie zurückzuziehen oder zumindest gründlich zu überarbeiten! Für die Patienten wird dadurch ihre lebensnotwendige Behandlung deutlich erschwert und unsicher und für die Krankenkassen teurer. Unbedingt müssen darüber hinaus die Patientenverbände in gesetzliche Änderungen eingebunden werden.
Jürgen Möller-Nehring,
Vorsitzender des Verbandes der Opfer des Blutskandals e.V.
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